Welcher Gutachter hilft bei Feuchteschäden im Holz/Hybridbau?

 

Das Recht auf einen unabhängigen Gutachter bei einem Feuchte- und Schimmelschaden – Was Unternehmer wissen sollten

Autor: Dipl.-Ing. Waldemar Bothe (Bausachverständiger, STIFTUNG B.A.U.)

Der Artikel dient der Information über die Rechtslage und die unternehmerischen Möglichkeiten bei Feuchteschäden. Er informiert über Rechte und Pflichten, die Versicherungsnehmer haben, wenn es zu Feuchteschäden im Holz/Hybridbau kommt.

Im Holzbau spielt die Innenraumhygiene eine zentrale Rolle – nicht nur für die Gesundheit der Nutzer, sondern auch für die langfristige Werterhaltung von Immobilien. Gerade bei Schimmelschäden können falsche Einschätzungen oder unzureichende Sanierungsmaßnahmen zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen. Deshalb ist eine fachgerechte und objektive Begutachtung durch einen unabhängigen, holzbauerfahrenen Sachverständigen von zentraler Bedeutung.

Unternehmer im Fokus: Warum ein unabhängiger Gutachter besonders wichtig ist

Für Unternehmer – etwa Immobilienbesitzer, Wohnungsbaugesellschaften, Projektentwickler oder Facility-Manager – kann ein durch die Versicherung beauftragter Gutachter ein erhebliches Interessensrisiko darstellen. Denn dieser ist häufig nicht unabhängig, sondern steht mittelbar im Lager des Versicherers.

Ein unabhängiger Gutachter bietet:

    • realistische Schadenseinschätzungen ohne wirtschaftliche Interessenbindung,
    • vollständige Ursachenklärung (z. B. verdeckte Leckagen, Baumängel, Planungsfehler),
    • nachhaltige Sanierungskonzepte unter Berücksichtigung bauphysikalischer und hygienischer Aspekte,
    • rechtssichere Dokumentation zur Geltendmachung von Versicherungs-, Gewährleistungs- oder Regressansprüchen.

Gerade bei Schimmelschäden, die sich oft über längere Zeiträume entwickeln, ist eine fachlich belastbare Beweissicherung entscheidend – etwa zur Abgrenzung von Versicherungs- zu Bauleistungsfehlern.

Rechtlicher Anspruch auf einen unabhängigen Gutachter

Viele Versicherungsnehmer wissen nicht, dass sie grundsätzlich ein Recht haben, selbst einen unabhängigen Gutachter zu beauftragen – insbesondere dann, wenn Zweifel an der Neutralität oder Qualifikation des von der Versicherung eingesetzten Sachverständigen bestehen, oder ganz konkret die Kenntnisse über materialspezifische Feuchtemessverfahren, über die Statik und Verformungsverhalten bei Auffeuchtungen neuartiger Baustoffe und Bauelemente wie bei Holz/Hybridbauweisen fehlen.

1. Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Nach § 14 VVG hat der Versicherungsnehmer Anspruch auf eine schnelle, transparente und faire Schadenregulierung. Wird diese durch einseitige Gutachtereinschätzungen gefährdet, kann die Hinzuziehung eines eigenen Sachverständigen geboten sein.

Auch § 83 VVG (Mitwirkungspflicht) verlangt keine ausschließliche Anerkennung des Versicherungsgutachters – vielmehr darf und soll der Versicherungsnehmer auch eigene Erkenntnisquellen heranziehen.

2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

• § 315 BGB – Bestimmung nach billigem Ermessen: Wenn ein Dritter – etwa die Versicherung – den Schadensumfang bestimmen soll, muss dies nach Treu und Glauben und in billigem Ermessen erfolgen. Geschieht das nicht, ist die Festsetzung unwirksam.

• § 317 BGB – Bestimmung durch einen Dritten: Erlaubt, einen neutralen Dritten – etwa einen unabhängigen Gutachter – zur Schadensbestimmung heranzuziehen, wenn keine Einigung besteht oder Zweifel an der Objektivität gegeben sind.

3. Rechtsprechung

• BGH, Urteil vom 16.11.1988 – IVa ZR 81/87:
Der Versicherungsnehmer darf bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe einen eigenen Gutachter beauftragen; dies gehört zur Wahrnehmung berechtigter Interessen im Rahmen des Versicherungsverhältnisses.

• OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.1999 – 12 U 21/99:
Die Einholung eines Privatgutachtens ist zulässig und unter bestimmten Voraussetzungen erstattungsfähig, wenn sie zur objektiven Schadensermittlung erforderlich ist.

Unternehmerischer Nutzen eines unabhängigen Gutachtens

Ein fundiertes, unabhängiges Gutachten kann für Unternehmer vielfach von Nutzen sein:

    • Rechtssicherheit: Grundlage für Auseinandersetzungen mit Versicherern, ausführenden Firmen oder Mietparteien.
    • Reputationsschutz: Fachgerechte Sanierung und Nachweis, dass gesundheitliche Risiken z. B. für Mieter oder Kunden ernst genommen wurden.
    • Werterhalt: Vermeidung von Folgeschäden durch fehlerhafte oder zu oberflächliche Sanierungen.

Praktisches Vorgehen bei der Gutachterbeauftragung

    1. Auswahl eines unabhängigen, qualifizierten Sachverständigen
    2. Schriftliche Information an die Versicherung über die eigene Beauftragung und Einladung zur gemeinsamen Ortsbesichtigung. Klärung der Kostenübernahme.
    3. Kooperation mit beiden Parteien, jedoch unter Wahrung der eigenen Rechte.
    4. Dokumentation und Archivierung aller Gutachten und Kommunikation – auch für spätere rechtliche Schritte.

Hinweis zur Kostenübernahme

Die Kosten für einen selbst beauftragten unabhängigen Gutachter sind grundsätzlich vom Versicherungsnehmer zu tragen – es sei denn, deren Einschaltung war objektiv notwendig zur Klärung des Schadensumfangs oder zur Wahrung berechtigter Interessen. Unternehmer sollten vor der Beauftragung eine schriftliche Zustimmung der Versicherung zur Kostenübernahme einholen oder dokumentieren, weshalb die Beauftragung sachlich gerechtfertigt war. In bestimmten Fällen können diese Kosten im Nachhinein erstattungsfähig sein (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.1999 – 12 U 21/99).

Fazit

Ein unabhängiger Gutachter ist gerade im Bereich Holzbau und Innenraumhygiene kein „Misstrauensvotum“ gegenüber der Versicherung – sondern ein notwendiges Instrument zur Wahrung unternehmerischer Interessen. Die Rechtsgrundlagen sind klar, die Rechtsprechung bestätigt dieses Recht – und die ökonomische Vernunft spricht dafür.

Wer auf eine objektive Begutachtung verzichtet, riskiert wirtschaftliche Nachteile, Reputationsverluste und juristische Konflikte, die vermeidbar gewesen wären.

Literaturverzeichnis

    • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 315, 317 BGB.
    • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), §§ 14, 83, 84 VVG.
    • BGH, Urteil vom 16.11.1988 – IVa ZR 81/87.
    • OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.1999 – 12 U 21/99.
    • Weinisch, K.-H., Bothe, W. (2023): Gesundheit + Hygiene – Innenraumhygiene in Holzgebäuden, IQUH e. V.
    • Umweltbundesamt (UBA): Leitfäden zur Schimmelpilzsanierung und Innenraumlufthygiene, aktuelle Veröffentlichungen.
    • AGÖF: Orientierungswerte für Raumluft und Hausstaub (aktuell abrufbar auf www.agoef.de).
    • Deutsche Gesellschaft für Versicherungswissenschaft (DGfV): Fachbeiträge zur Rolle unabhängiger Gutachter in der Schadensregulierung.

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