Das Jahr 2024 bringt bedeutende Änderungen im Gefahrstoffrecht mit sich, die Auftraggeber, Investoren, Unternehmen und Arbeitnehmer betreffen.
Diese Reformen sollen den Umgang mit gefährlichen Stoffen sicherer gestalten und den Schutz von Mensch und Umwelt verbessern. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen und ihre Auswirkungen erläutert.
Strengere Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien
Eine zentrale Neuerung im Gefahrstoffrecht 2024 betrifft die Überarbeitung der Einstufungs- und Kennzeichnungskriterien für Chemikalien gemäß der CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging). Neue Gefahrenklassen wurden eingeführt, darunter:
- Endokrine Disruptoren: Stoffe, die das Hormonsystem beeinträchtigen, müssen zukünftig gekennzeichnet werden.
- Persistente und bioakkumulative Stoffe: Zusätzliche Anforderungen gelten für Chemikalien, die in der Umwelt schwer abbaubar sind.
Unternehmen müssen ihre Sicherheitsdatenblätter und Kennzeichnungen entsprechend anpassen. Die Frist zur Umsetzung endete am 1. Juni 2024.
Erweiterung der Arbeitsschutzmaßnahmen
Das neue Gefahrstoffrecht legt einen verstärkten Fokus auf den Schutz von Arbeitnehmern. Zu den Maßnahmen gehören:
- Niedrigere Arbeitsplatzgrenzwerte: Für bestimmte gefährliche Stoffe wurden die maximal zulässigen Konzentrationen am Arbeitsplatz gesenkt.
- Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung: Arbeitgeber sind verpflichtet, Gefahrenpotenziale systematisch zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
- Erweiterte Schulungspflichten: Mitarbeiter müssen regelmäßig über den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen informiert werden.
Digitalisierung und Transparenz
Eine weitere Neuerung betrifft die Digitalisierung im Gefahrstoffmanagement. Ab 2024 wird ein zentrales Register eingeführt, das Informationen über gefährliche Stoffe und ihre Verwendung sammelt. Unternehmen sind verpflichtet, relevante Daten zu melden, um die Nachverfolgbarkeit und Transparenz zu verbessern.
Auswirkungen auf Unternehmen
Die neuen Regelungen bedeuten für Unternehmen:
- Kosten für Anpassungen: Die Aktualisierung von Sicherheitsdatenblättern, Schulungen und technischen Schutzmaßnahmen erfordert Investitionen.
- Höherer Verwaltungsaufwand: Die Einhaltung der Meldepflichten und Dokumentationsanforderungen wird zeitintensiver.
- Wettbewerbsvorteile durch Nachhaltigkeit: Unternehmen, die frühzeitig nachhaltige Lösungen implementieren, können sich positiv am Markt positionieren.
Empfehlung
Das neue Gefahrstoffrecht 2024 ist ein wichtiger Schritt in Richtung besseren Arbeits- und Umweltschutzes. Unternehmen sollten die Änderungen frühzeitig umsetzen, um rechtliche Risiken zu vermeiden und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Arbeitnehmer profitieren von höheren Sicherheitsstandards und besserer Gesundheitsvorsorge.
Pflichten für Veranlasser – Auftraggeber und Planer
Bei Renovierungen in Gebäuden, die vor etwa 1993 errichtet wurden, sind potenziell gesundheitsschädliche Stoffe zu beachten:
- Asbest: Asbest, das in älteren Gebäuden häufig in Dächern, Putzen, Klebern, Farben oder Rohren vorkommt, erfordert spezifische Analyse- und Schutzmaßnahmen.
- Bleihaltige Materialien: Bleihaltige Farben oder Rohre können giftig sein und erfordern ebenfalls besondere Schutzmaßnahmen.
- Biologische Stäube: Schimmel in feuchten Bereichen sowie Kotreste und Stäube von Kleintieren oder Tauben in Altbauten müssen mit geeigneten Schutzmaßnahmen entfernt werden.
- Polychlorierte Biphenyle (PCB): Diese hochgiftigen Stoffe wurden früher in Dichtungsmassen, Farben oder elektrischen Geräten verwendet.
- Biozide und Holzschutzmittel: Stoffe wie PCP, Lindan oder DDT wurden bis etwa 1990 in Holzschutzmitteln verwendet und sind problematisch.
- Künstliche Mineralfasern (KMF): Diese wurden in Dämmstoffen eingesetzt und können, ähnlich wie Asbest, lungenschädigende Fasern freisetzen.
- Staubbelastung: Arbeiten wie Schleifen, Bohren oder Abriss erzeugen Feinstaub sowie Holz-, Putz-, Farb- oder Quarzstaub, die Atemwegserkrankungen fördern können.
- Teer- und Bitumenhaltige Stoffe: Diese Stoffe, die häufig in alten Dächern, Straßenbelägen, Bodenbelägen oder Klebern vorkommen, können krebserregend sein.
Ab 2025 muss der Veranlasser/Auftraggeber (AG) vor der Vergabe oder vor Arbeitsbeginn eine Gefährdungsbeurteilung durchführen oder beauftragen. Andernfalls ist der Auftragnehmer (AN) verpflichtet, diese Beurteilung in Auftrag zu geben, bevor er mit den Arbeiten beginnt. Das beauftragte Büro für Schadstoffanalysen erstellt dann ein Gefahrstoffkataster für das Gebäude und definiert erforderliche Schutzmaßnahmen wie Atemschutz, Absaugung, Schutzkleidung und Umgebungsschutz.
Ergebnis
Liegt ab 2025 keine Gefahrstoffeinschätzung für Gebäude vor, die vor dem Stichtag errichtet wurden, muss der AN diese anfordern oder ein Nachtragsangebot für eine Gefährdungseinschätzung erstellen. Alternativ kann er diese beauftragen, wobei der AG die Kosten tragen muss (Mitwirkungspflicht des AG). Ähnlich wie beim neuen europaweiten Amalgamverbot haben über 30 Jahre Aufklärungsarbeit von ehrenamtlichen Verbänden wie DGUHT, VB, der STIFTUNG B.A.U. und BfUB dazu geführt, dass der Umgang mit gefährlichen Stoffen im häuslichen Umfeld verantwortungsvoller geregelt wird. Über eine gerechte Verteilung der Pflichten beim Umgang mit Gefahrstoffen wird weiterhin diskutiert.
Autor: Karl-Heinz Weinisch (Vorstand STIFTUNG B.A.U.), 30.12.2024
Quelle: Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen, Bonn vom 2. Dezember 2024